Gerda Meendsen

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Eine Landschaft ohne Ende

Als Alfred Kubin seinen Roman "Die andere Seite" beendete, hatte er die Erzählung einer wundersamen Erfahrung abgeschlossen. Als man den Film nach dem Roman zu drehen begann, suchte man und fand in Prag ein geeignetes Ambiente, in dem sich die ins Wort gesetzte Stimmung und Atmosphäre entfalten konnte. Kubin, der Maler, hatte alles in Worte gefasst, das Licht der anderen Welt, die Fremdheit, den Hauch des Todes, das Unbekannte, nicht Erreichbare und die Hoffnung, die wortlos blieb. Und doch scheint alles in irgendeiner Weise wie gewohnt, in sich geschlossen tonlos. Die Faszination für den Betrachter entspringt aus seiner Zeugenschaft. Der Leser wird zum Besucher, Wanderer, wortloser Beobachter, der sich - wie in einem Traum - in einer geschlossenen Welt wieder findet. Und er folgt den Spuren, von denen er nicht weiß wohin sie führen und bemerkt kaum, dass er es selbst ist, der sich von sich entfernt. Kubin entlässt seine Leser nicht, er zwingt sie geradezu zur Suche in einer Stadt, die keinen Horizont hat.

Zurück gekehrt in diese Welt, bemerkt der Betrachter seinen geschärften Blick für die Dinge seines Lebens. Er bemerkt die Fragen der Künstler, die soziale Gegebenheiten zur Diskussion stellen - teils nahsichtig oder an Themen übergreifend Kritik üben wollen. Versuche und Experimente können keine Antworten geben, allenfalls Wege aufzeigen. Meist bleiben sie auf halbem Weg hängen und verfangen sich in den Fußangeln selbst gestellter Bedingungen.

Was aber, wenn keine Frage gestellt wird oder keine Erzählung von Glück und Gnade oder von Rache und Verlust um Aufmerksamkeit wirbt? Dann bleibt nicht viel von dieser Welt. Die Gräueltaten der Menschen stehen einmal nicht zu Diskussion, die Eingriffe und Zerstörung der Natur ist ausgeblendet. Die Dummheit hat Pause.

Nun zum Werk Gerda Meendsens:

Der Betrachter tritt - Adam gleich - in eine andere Welt - neu geboren, einen Fuß vor den anderen setzend - auf einen Wüstenboden, sandig oder von Eis bedeckt, Wasserläufe vor sich, Dünen umgeben ihn, keine Spuren von Menschen, wohin er auch blickt. Und doch scheint alles zu leben, zu atmen, so als ob sein Besuch schon erwartet worden wäre. Fast taumelnd träumend tastet sich der Betrachter vor, überwindet weite Flächen, Ebenen breiten sich aus. Das Auge gleitet wie im Vogelflug über eine Weltlandschaft, die in die Ewigkeit führt. Leicht und befreit löst sich ein Teil des Bewusstseins und zieht auf unsichtbaren Schwingen der Weite des Raumes entgegen. Das glänzende Dunkel des Himmels verspricht einen langen Flug und kein Ziel. Der Weg scheint das Ziel zu sein.

Im Mittelalter schufen Künstler Gemälde, die den Betrachter zur Andacht riefen. Heilige standen links und rechts des Thrones Maria und forderten vom Gläubigen Demut und Hingabe und sie versprachen als verdiente Zeugen Heil und vielleicht sogar Erlösung. Dann begann der Mensch Fragen an die Natur der Dinge zu stellen. Das Firmament verlor seine Festigkeit. Die Vertreter der Kirche begannen sich heftig gegen die neuen Erkenntnisse zu wehren und verstärkten die Propaganda im Andachtsbild. Menschen, Bauern, Bettler, Arbeiter sahen sich plötzlich vor der Madonna knien, die ihnen unmittelbar erschien. So nah wie zu Caravaggios Zeiten war man dem Heil im Bild noch nie. Im Gemälde vereinte sich das Abbild der Welt, der Straße, des Hier und Jetzt mit dem Versprechen auf Ewigkeit und Erlösung.

Und was passiert heute? Wo sind die Zeugen des Heils? Für Viele haben sie ausgedient. Aber wer gibt Antwort auf die Fragen des Menschen? Das Ich - gefangen in seiner Sterblichkeit - kann keine Antwort geben. Nur in der Endlosigkeit gibt es die Chance auf Alles. Ein Weg dorthin führt möglicherweise durch die Gemälde von Gerda Meendsen.

Der schwarzblaue Himmel in ihren Bildern erlaubt dem Betrachter neu Hoffnung zuschöpfen - Hoffnung auf Erkenntnis nicht verloren zu sein. Auch wenn Irdisches wie Wandel, Verfall und Tod zu erleben und erleiden sein wird - wie uns die abstrakten Strukturen in den Gemälden andeuten - so ist doch alles eingebettet in ein Ganzes, das in die Ferne zieht. Teilweise findet der Betrachter Zitate aus dem Erdenleben, verschwommen, halb verwest, kaum geboren und verwachsen mit organischen Strukturen erscheinen sie wie ein höhnisches Lachen auf die romantische Sehnsucht des Menschen. Vieles stößt auf Ablehnung - Heilige auch! Aber die Chance sich auf den Weg zu machen bleibt bestehen. Es ist das ins Bild gesetzte Angebot den Weg der Sinnsuche zu betreten, geeignet für jeden - aber nicht von jedem ergriffen. Ein Weg der bedingungslos ist, aber Läuterung erfordert. Wüsten sind dazu ein altes und erprobtes Mittel. Meendsen malt Wüste, keine Heiligen - aber der Weg führt wie seit Urzeiten in die Unendlichkeit der Schöpfung.

DR. VERONIKA BIRKE,
KUNSTHISTORIKERIN, WIEN